Salzburger Wirtschaft vom 18. Dezember 2020 / Folge_24

24 · Gewerbe & Handwerk · Nr. 24 · 18. 12. 2020 Salzburger Wirtschaft Mit Lebenscoaching durch die Krise Die Corona-Krise stellt Menschen und Unternehmen vor große He- rausforderungen. Im Interview erläutert Lebens- und Sozialbera- terin Angelika Kail, wie Lebens- berater durch diese schwierige Zeit helfen können. Wie stark ist der Beratungs- bedarf durch Corona angestiegen? Während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 konnte ich noch kaum Unterschiede feststellen. Seit etwa Mitte Sommer nimmt der Beratungsbedarf allerdings laufend zu und hat sich bei mir um etwa das Doppelte im Ver- gleich zum durchschnittlichen Bedarf erhöht. Was sind die Hauptprobleme der Menschen? In erster Linie geht es um das Thema Sicherheit: Wie wird es mit meinem Job weitergehen? Werde ich mir morgen noch mein bisheriges Leben leisten können? Wie komme ich mit den reduzierten oder gar komplett entfallenen Einkünften zurecht? Wo finde ich einen neuen Job? Viele der gewohnten Sicher- heiten fallen in einer Krise wie dieser weg. Mit dieser Unsicher- heit zu leben haben die meisten Menschen nicht gelernt. Sicher- heit als eines der wichtigsten Grundbedürfnisse des Menschen ist nicht mehr gewährleistet. Bei Paaren und Familien treten durch die veränderte Alltagsgestaltung (Homeoffice, Homeschooling, intensiverer Kontakt mit Part- ner und Kindern, fehlende Aus- gleichsbeschäftigungen) Bezie- hungsprobleme zutage, die sich zuvor nicht gezeigt haben. Das gesunde Nähe-Distanz-Maß ist schwerer aufrechtzuerhalten, die Sorgen der Partner drücken die Stimmung und können mangels innerer und äußerer Ressourcen nicht entsprechend abgefedert werden. Auf der anderen Seite zeigen sich bei alleinlebenden Menschen häufig Stresssymp- tome durch fehlende regelmäßige Kontakte. Ein weiteres Thema ist der Umgang mit der neuen Zeit- struktur. Durch weniger Ablen- kung und Freizeitmöglichkeiten werden Menschen mehr auf sich selbst zurückgeworfen. Nichts tun zu können macht unsicher. Vielen Menschen fehlen gerade jetzt verlässliche Lebensbereiche mit klaren, stabilen Strukturen und auch Strategien im Umgang mit Krisen und Veränderungen. Greifen auch Unternehmer verstärkt auf das Angebot der Lebensberater zurück? Generell können Lebensberater im Unternehmensbereich sehr gut durch persönlichkeitsorien- tierte Seminare oder auch Coa- chings unterstützen und dadurch zur Gesunderhaltung der Mit- arbeiter beitragen. Speziell seit Sommer erkennen Unternehmer vermehrt (manche überhaupt erstmalig) den psychosozialen Unterstützungsbedarf ihrer Mit- arbeiter und greifen zunehmend auf Online-Lösungen zurück. Coachings und auch kürzere Workshops können in durchaus sehr guter Qualität auch über Videokonferenz-Tools gemacht werden. Generell kann ich beob- achten, dass die Hürde, sich psychosoziale Unterstützung zu holen, durch die Krise niedriger geworden ist. Andererseits hem- men natürlich die manchmal ein- geschränkten finanziellen Mittel die Bereitschaft, eine entspre- chende Beratung in Anspruch zu nehmen. Wie können Lebensberater in Krisen helfen? Welche Konzepte gibt es da? Als Lebensberater können wir psychosoziale Unterstützung in Form von Coachings oder Semi- naren/Workshops, aber auch die Psychoedukation anbieten. Jegli- che Unterstützung, die dabei hilft, innere Ressourcen aufzubauen und Belastungsmomente zu mil- dern ist sinnvoll, da sie helfen kann, die Handlungsfähigkeit, die Arbeitsfähigkeit, die Motivation und Gesundheit der Mitarbeiter zu erhalten und damit das Fort- bestehen der unternehmerischen Leistung zu gewährleisten. Das reicht vom Erkennen eigener Stressmechanismen und geht über die Entwicklung passender Stressbewältigungsstrategien bis hin zum Resilienztraining. Man- che Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern bei Bedarf Unter- stützung in Form von Einzelcoa- chings durch Lebensberater an. In diesem Fall kann es sinnvoll sein, ein anonymes Gutschein- System einzuführen, das es dem Mitarbeiter ermöglicht, die Inanspruchnahme der Leistung im eigenen Unternehmen nicht offenlegen zu müssen. Nicht zuletzt können auch gezielte Kommunikations- und Team- trainings den Zusammenhalt in der Krise fördern, Ressourcen im Team sichtbar machen und die Bereitschaft für Veränderung för- dern. Welche Eigenschaften sind notwendig, um eine Krise zu meistern? Wie viel kann Psychologie dabei helfen? Eine der wichtigsten Fähigkei- ten, um mit Krisen so umge- hen zu können, dass wir keinen nachhaltigen seelischen Scha- den daran nehmen, ist sicher- lich die Resilienz, also unsere seelische Widerstandskraft. Ein hohes Resilienzvermögen zeigt sich darin, wie gut wir Situa- tionen – zumindest vorüberge- hend – akzeptieren können; wie sehr wir in der Lage sind, einen positiven Ausgang bzw. eine positive Entwicklung der aktu- ellen Situation für möglich zu halten. Dabei sollte es gelingen, die Opferrolle durch Proaktivi- tät und Bereitschaft zur Verän- derung zu ersetzen und wieder nach Lösungen – vielleicht auch abseits gewohnter Wege – zu suchen, anstatt den Fokus nur auf das Problem zu richten. Entschei- dend für eine erfolgreiche Bewäl- tigung ist zudem, wie gut wir uns – trotz räumlicher Distanz – mit anderen Menschen vernetzen und austauschen können und ein positives Zukunftsszenario ent- werfen können. Ebenso hilfreich sind ein gesundes Selbstbewusst- sein, ein klares Bewusstsein über die eigenen Stärken und Schwä- chen und die Fähigkeit, in einer schwierigen Situation (wenn auch nicht unbedingt in der Akutphase) einen Sinn sehen zu können. All das ist trainier- bzw. entwickelbar. Lebensberatung ist meist lösungs- und ressourcen- orientiert und kann Menschen dabei begleiten, diese Fähigkei- ten wieder zu aktivieren oder zu erlernen, ein positives Mind-Set zu entwickeln und die eigene Zukunft in die Hand zu nehmen. Kann eine Krise auch der Grundstein für Neues, Besseres sein? Jede Krise kann für uns auch eine Chance sein, da sie uns in eine Entwicklung zwingt und von uns verlangt, unsere Zone der Sicherheit zu verlassen. Sofern wir uns durch die Krise nicht in einer andauernden Überforde- rung bewegen und es uns gelingt, unsere Ressourcen wieder zu akti- vieren, können Krisen der Anfang für etwas Neues, auch Besseres sein. In meiner Praxis erlebe ich immer wieder, dass Menschen gerade durch Krisen noch mehr zu sich selbst finden. Die erzwun- gene Unterbrechung, das abrupte „Aus-der-Gewohnheit-gerissen- Werden“ werfen uns nicht nur auf uns selbst zurück, sondern fordert auch unsere Kreativität. Gerade in der jetzigen Krise nut- zen viele Menschen die Möglich- keit, ihr Leben einer eingehenden Prüfung zu unterziehen, heraus- zufinden, ob der bisherige Weg tatsächlich ihren Werten und Lebenswünschen entspricht oder ob es Zeit für eine Neuorientie- rung ist. In Salzburg gibt es rund 450 aktive Lebens- und Sozialberater. Nähere Infos und Kontakte unter www.lebensberater.at Mag. Angelika Kail (www.innenreich.at) ist eine von üb er 400 Lebens- und Sozialberatern in Salz- burg, die speziell in der Corona- Krise viel zu tun haben. Foto: Armstorfer

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