Salzburger Wirtschaft vom 13. November 2020 / Folge_22

12 · Nr. 22 · 13. 11. 2020 Salzburger Wirtschaft Unternehmen Bei der Privatkäserei Woerle steht ein Generationswechsel bevor: Im Jänner wird Gerrit Woerle (35) die Geschäftsfüh- rung übernehmen. Sein Vater Gerhard Woerle (76) wechselt nach fast 60 Jahren im Unterneh- men in den Aufsichtsrat. Herr Woerle, Sie lenken seit 1976 als Geschäftsführer die Geschicke der Käserei Woerle. Wie schwer fällt Ihnen die Übergabe an Ihren Sohn? Gerhard Woerle: Sie fällt mir insofern leicht, als ich schon seit einigen Jahren merke, dass es nach mir gut wei- tergeht. Mein Sohn wird von der Beleg- schaft und den führenden Damen und Herren im Haus akzeptiert. Darüber bin ich sehr froh. Wenn dem nicht so wäre, hätte ich mir schon vor einiger Zeit etwas anderes überlegt. Was waren die größten Herausforderungen der vergangenen Jahrzehnte? Der Beitritt zur EU bedeutete natürlich eine große Zäsur. Wir waren fit für Europa, weil wir zehn Jahre zuvor den Betrieb in Henndorf neu gebaut hatten. Dennoch gab es anfangs Prob- leme, weil wir in Österreich eine Art Planwirtschaft hatten. Es gab einen festgesetzten Milchpreis, der um ein Drittel höher war als in der EU. Dann kam plötzlich die freie Marktwirtschaft. Schwierig war die Situation auch nach dem Tod meines C o u s i n s . Ihm gehör- ten 50% des Unternehmens und ich musste mich mit der Ver- wandtschaft einigen, um seine Anteile kaufen zu können. Ihre Bilanz fällt aber grundsätzlich positiv aus? In meiner Zeit ging es eigentlich immer aufwärts. Unser Unter- nehmen hatte allerdings wegen der zuvor erwähnten Planwirt- schaft relativ wenig Chancen im Inland. Es gab Gebietsrege- lungen, die unter anderem dazu führten, dass wir zwar Butter herstellen, aber nicht nach Salz- burg verkaufen durften. Wir sind deshalb schon in den frü- hen 1970er-Jahren ins Ausland gegangen. Heute haben wir Kun- den in 75 Ländern der Welt, einen Exportanteil von knapp 55% und die Marke „Happy Cow“, die seit den 1980er-Jahren eine Erfolgs- geschichte ist. Was werden Sie nach der Übergabe der Geschäfts- führung machen? Ich gehe seit Jahren den ganzen Sommer über morgens schwim- men. Das möchte ich intensivie- ren. Darüber hinaus werde ich auch weiterhin für das Unterneh- men da sein, wenn ich gebraucht werde. Ich werde mich in Zukunft im Aufsichtsrat engagieren und auch sonst die eine oder andere Aufgabe übernehmen. Wenn ich irgendwo einen Markt unter die Lupe nehmen kann, mache ich das gerne. Wann war für Sie klar, dass Sie eines Tages die Leitung des Familienunternehmens übernehmen werden? Gerrit Woerle: Ich bin mit dem Unternehmen aufgewachsen und habe in den Ferien immer hier gearbeitet. Nach dem Zivildienst wollte ich den Betrieb dann noch besser kennenlernen, um zu sehen, wie viel Spaß mir die Arbeit macht. Ich habe mir von der Käserei über das Controlling bis zum Verkauf viele Schritte der Wertschöpfungskette ange- schaut. Studiert habe ich erst, nachdem ich noch gute zwei Jahre die Produktionsplanung für den gesamten Betrieb gemacht hatte. In dieser Phase ist der Wunsch in mir gereift, die Geschäftsführung zu übernehmen. Ich bin sehr gern gestalterisch tätig und da es ist natürlich ein Glück, in eine Position zu kommen, wo man gemeinsam mit einem Team an den Hebeln sitzt. „Nachhaltigkeit liegt mir am Herzen“ Die mehr als 130-jährige Geschichte der Privatkäserei Woerle ist um ein Kapitel reicher: Mit Jahresende über- gibt Gerhard Woerle (rechts) die Geschäfts- führung an sei- nen Sohn Gerrit. Foto: WKS/wildbild „Vor dem EU-Beitritt hatten wir in Österreich eine Art Planwirtschaft.“ Gerhard Woerle

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