Salzburger Wirtschaft vom 19.Juli 2020 / Folge_12

· Handel · 23 Nr. 12 · 19. 6. 2020 Salzburger Wirtschaft „Auch der Handel braucht Hilfe“ KommR Hartwig Rinnerthaler wurde vor kurzem zum Obmann der Sparte Handel in der WK Salz- burg wiedergewählt. Seine Bran- che werde bei der Bewältigung der Corona-Krise stiefmütterlich behandelt, meint der Unterneh- mer aus Hof. Welches sind die größten Probleme, mit denen die Handelsbetriebe derzeit zu kämpfen haben? Vor wenigen Monaten hätte ich noch den Fachkräftemangel genannt. Jetzt sind die Haupt- probleme natürlich die Auswir- kungen der Corona-Krise, die von Konsumzurückhaltung über fehlendes touristisches Potenzial bis hin zu den fehlenden raschen Liquiditätsmaßnahmen der Re- gierung reichen. Die Händler werden also vom Bund nicht ausreichend unterstützt? Wenn ich mir die Aussagen von Regierungsmitgliedern vor Augen halte, dann ist der Handel fast so etwas wie eine vergessene Branche. Man hört immer nur von Sonderunterstützungen für den Tourismus und für Kulturbe- triebe. Viele Unternehmerkolle- gen berichten mir, dass sie finan- zielle Unterstützungen beantragt haben, die auch teilweise bewil- ligt wurden. Das große Problem ist, dass das Geld noch immer nicht auf dem Konto der Unter- nehmen angekommen ist. Wir brauchen jetzt unbedingt rasche Finanzspritzen, um die Liquidität der Betriebe und damit ihr Über- leben zu sichern. Welche Folgen drohen den Unternehmen, wenn die versprochene finanzielle Hilfe nicht bald eintrifft? Sollten die Liquiditätsengpässe nicht demnächst behoben wer- den, drohen Insolvenzen von Betrieben und eine noch höhere Arbeitslosigkeit. Leider wird oft vergessen, dass der Handel zu den Leitbranchen in Österreich zählt. Er stellt allein im Bundes- land Salzburg 22% der Unter- nehmen und sorgt für 38% des Umsatzes der marktorientierten Wirtschaft. Deutschland hat vor kurzem ein Konjunkturpaket beschlossen, das unter ande- rem eine Senkung der Mehr- wertsteuer beinhaltet. Was bedeutet das für Salzburgs Händler? Diese Maßnahme ist ein Warn- signal für alle Grenzregionen zwischen Passau und Bregenz. Sie kann das Einkaufsverhalten in diesen Regionen massiv beein- flussen. Unsere Analysen der Kaufkraftströme und der Einzel- handelsstruktur haben gezeigt, welches enorme Potenzial der bayerische Grenzraum für unsere Händler hat. Aufgrund der Sen- kung der Mehrwertsteuer in Deutschland befürchte ich nun aber einen zunehmenden Kauf- kraftabfluss zu unseren Nachbarn. Wie kann Österreich gegensteuern? Neben dem Setzen von Kauf­ impulsen für den regionalen sta- tionären Handel zwischen Ober- österreich und Vorarlberg wären natürlich auch Unterstützungs- maßnahmen wie etwa die Über- nahme von Zinsstützungen bei Zwischenfinanzierungen wün- schenswert. So könnte man die Betriebe nachhaltig entlasten. Was halten Sie von der Idee, den privaten Haushalten Einkaufsgutscheine zur Verfügung zu stellen? Grundsätzlich beurteile ich das sogenannte Helikoptergeld eher kritisch, auch wenn geförderte Einkaufsgutscheine natürlich einen hohen Reiz besitzen. Aus Sicht des Handels helfen Maß- nahmen, die erst Ende des Jahres oder Anfang 2021 schlagend wer- den, in der jetzigen Lage wenig. Was wir brauchen, sind sofortige Konsumanreize für die Bevöl- kerung. Nur so können wir Fre- quenz- und Umsatzsteigerungen im heimischen stationären Han- del generieren und Betriebe sowie Arbeitsplätze absichern. Wir dür- fen nicht von der Zahl der Touris- ten und den Gästenächtigungen allein abhängig sein. Die Durch- führung der Salzburger Festspiele ist aber ein Signal der Hoffnung, das dem Handel in dieser schwie- rigen Zeit besonders guttut. Die Bewältigung der Corona- Krise hat jetzt natürlich absolute Priorität. Auf welche Schwerpunkte wollen Sie sich danach konzentrieren? Ein Fixpunkt ist sicher die Berufs- ausbildung der Jugend. Hier gilt es, Perspektiven aufzuzeigen und ein Signal für die Zukunft zu set- zen. Der Handel ist jedoch wesent- lich von Stimmungen abhängig. Daher sind Maßnahmen und Impulse in diese Richtung not- wendig, um die Betriebe zu unter- stützen und Kaufanreize zu setzen. Entscheidend für die Zukunft wird der weitere Verlauf der Corona- Pandemie in Europa sein. Davon hängt es ab, ob wir das touristi- sche Potenzial wieder heben und somit Frequenzen sowie Kauf- kraft generieren können, die die gesamte Wirtschaft beflügeln. Der alte und neue Sparten- obmann Hartwig Rinnerthaler (Mitte) mit seinen Stell­ vertretern Sonja Sagmeister und Alexander Schwarzbeck. Foto: WKS/Neumayr „Wir brauchen eine rasche Finanzspritze, um die Liquidität der Betriebe und damit ihr Überleben zu sichern.“ Spartenobmann Hartwig Rinnerthaler

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