Salzburger Wirtschaft vom 13. März 2020 / Sonderausgabe_März

· 31 Sonderausgabe · 13. 3. 2020 Salzburger Wirtschaft Service Corona hat Italien fest im Griff Wegen der Coronaviruskrise wurde ganz Italien zur Sperr- zone erklärt. Das österreichi- sche Außenministerium rief die höchste Sicherheitswarnstufe aus. Italien ist für Österreich in der EU der zweitwichtigste und für Salz- burg der sechstwichtigste Han- delspartner. Mit dem Coronavirus beginnt nun auch der Wirtschafts- motor zu husten. Die „Salzburger Wirtschaft“ hat bei Mag. Gudrun Hager, der Wirtschaftsdelegierten in Mailand, nachgefragt, wie sich die Situation derzeit darstellt: Ganz Italien ist nun zur Sperrzone erklärt worden. Wie ist aktuell die Situation? Das Wichtigste ist die Definition des Begriffs „Sperrzone“. Sperr- zone bedeutet, dass jegliche Ein- und Ausreisen in Italien zu ver- meiden sind. Ausnahmen bilden jene Fahrten, die aus nachweis- lichen Gründen der Arbeit, aus Notwendigkeit oder aus gesund- heitlichen Gründen erfolgen, oder weil man an den Wohnort zurück- kehren möchte. Das bedeutet, dass Waren und Personal, das die Transportmittel führt, in Italien ein- und ausreisen dürfen. Arbeit- gebern wird „smart working“ empfohlen, also dass man Mit- arbeiter möglichst zuhause arbei- ten lässt. Dienstreisen sind zu vermeiden. Allerdings ist „smart working“ nicht für jeden möglich, denn was ist mit Mitarbeitern, die an einem Fließband in einem Pro- duktionsunternehmen arbeiten – das ist natürlich nicht überall anzuwenden. Die Intention des letzten Dekretes ist eine klare: Man will die weitere Verbrei- tung der Ansteckungen mit dem Virus eindämmen, so gut es geht. Man hat aber in den vergangenen Tagen gesehen, welche Dynamik sich dadurch entwickelt. Wir wol- len die Produktionswirtschaft so wenig wie möglich behindern. Der Wirtschafts- und Produk- tionsstandort Italien soll weit- gehend aufrechterhalten werden, aber primär muss das Virus ein- gedämmt werden. Was empfehlen Sie Frächtern an der Grenze? Gütertransporte fallen in die Aus- nahmeregelung der nachweisba- ren Arbeitsbedürfnisse. Es bedarf aber einer sogenannten Selbst- erklärung in italienischer Spra- che. Dieses Formular sollte man unbedingt mit sich führen. Auch Temperaturmessungen bei den Frächtern sind jederzeit möglich. Gibt es bereits Engpässe bei den Lieferketten? Wenn ja, welche Branchen sind davon besonders betroffen? Bei einer Umfrage von 4.000 Fir- men in Italien zeigt sich, dass 30% der Unternehmen vom Coronavirus betroffen sind, 60% sagen, dass sie Auswirkungen erwarten. Hier geht es vor allem um den Lebensmittelsektor. Wir haben hier und bei den Indust- riegütern aber noch keine Ver- sorgungsengpässe. 65% beklagen durch das Coronavirus Umsatz- einbußen. Das zeigt sich vor allem in den Bereichen Touris- mus, Bekleidung, Textil, Chemie und Elektronik. Am härtesten trifft es natürlich den Tourismus mit 99% an Einbußen, dann folgt die Transport- und Logistikbran- che mit 83%. Was raten sie öster- reichischen Exporteuren in der jetzigen Situation? Das Wichtigste ist, sich mit dem italienischen Geschäftspartner in Verbindung zu setzen, egal ob das der Lieferant ist oder der Endkunde. Es gilt herauszufin- den, in welcher Situation sich dieser befindet. Kann man dort hin liefern? Kann er die Ware überhaupt in Empfang nehmen? Und wenn man die Situation geklärt hat, organisiert man den Transport, rüstet sich mit dem Selbsterklärungsformular aus (siehe www.wko.at/service/faq- coronavirus-infos.html#heading_ Situation_in_Italien) und erkun- digt sich zur Sicherheit beim AußenwirtschaftsCenter Mai- land, ob es noch weitere Dinge zu beachten gibt. Wir informieren und unterstützen unsere Firmen täglich mit Beratungen, aber die Situation ändert sich permanent. Wie hat sich das soziale Leben verändert? Das soziale Leben ist in Italien still geworden. Man kann nicht mehr ins Theater, zu Veranstal- tungen oder zu Fußballspielen. Skigebiete sind geschlossen, große Messen sind abgesagt, in Restaurants muss man Abstand halten, damit hat sich der Alltag enorm geändert. Modegeschäfte sind geschlossen, Flughäfen sind leer, viele versuchen über digi- tale Kanäle zu agieren, so wird beispielsweise im Onlinehandel eine deutliche Zunahme beobach- tet. Die Schulen sind geschlossen. Fünf Millionen Italiener haben schulpflichtige Kinder zu Hause, gehen aber eigentlich zur Arbeit, hier gibt es viele Fragen. For- ciert werden Modelle wie „smart working“, es werden vermehrt Urlaube gewährt und die Kom- munikation ist digital geworden. Wie steht es um das Gesundheitssystem? Das ist aktuell die große Sorge, d enn das italienische Gesund- h eitssystem ist am Anschlag. Derzeit werden viele Infizierte in die Krankenhäuser eingelie- fert. Damit fehlen Kapazitäten für Notfälle außerhalb des Coronavi- rus. Deshalb werden Forderungen laut, Betriebe eventuell auch zu schließen. Wir bewegen uns auf einer schwierigen Gratwande- rung rund um die Frage, wie kann ich einerseits das Wirtschaftsle- ben aufrechterhalten und gleich- zeitig die Ausbreitung des Virus eindämmen. Dürfen Sie noch ins Büro? Wir evaluieren die Lage täglich neu. Aktuell sind drei Mitarbeiter im Büro, ansonsten ist das Gebot der Stunde „smart working“ – auch bei uns! Mag. Gudrun Hager, Wirtschafts- delegierte in Mailand. Foto: WKÖ Die Wirtschaftskammer stellt ihren Mitgliedsbetrieben eine Task-Force aus Branchen- und Rechtsexperten zur Verfügung, die Fragen rund um das Corona-Virus beantworten. Tel. 05 90 900/4352 Mo bis Fr 8 – 20 Uhr www.wko.at/coronavirus E-Mail: Infopoint_C oronavirus@wko.at Die häufigsten Fragen von Unternehmern speziell zur Situation in Italien: www.wko.at/service/ faq-coronavirus-infos. html#heading_Situation_in_ Italien Corona-Infopoint – wko.at/coronavirus

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