Salzburger Wirtschaft vom 21.Februar 2020 / Folge_4

4 · Nr. 4 · 21. 2. 2020 Salzburger Wirtschaft Thema „Digitalisierung: Was bisher geschah, war erst der Anfang!“ So lautete der Titel einer Veranstal- tung der WKS vergangene Woche im WIFI. Was alle bereits in ihren Business-Modellen spüren, machte Keynote-Speaker Dirk Herrmann mit einer Fülle von Hinweisen deutlich: Das Tempo der Entwicklung ist noch schnel- ler geworden, alte Gewissheiten bröseln, die digitale „Disruption“ herkömmlicher Geschäftsmo- delle rückt in vielen Branchen immer näher. Dirk Herrmanns Methode ist die Neugierde: „Ich habe in den letzten 20 Jahren mindestens 5.000 Menschen auf der ganzen Welt interviewt“, erzählte der Berater, Zukunftsfor- scher und Publizist, der anfäng- lich im Finanzsektor arbeitete und sich heute mit der Auswir- kung von Digitalisierung auf die Wirtschaftswelt beschäftigt. Viele blicken nur in den Rückspiegel Sein Befund nach zahlreichen Gesprächen auf der ganzen Welt mit Unternehmen, Experten, Künstlern und Denkern: Auf alte Sicherheiten ist nicht mehr Ver- lass. Geschäftsmodelle werden zunehmend von Branchenfrem- den neu gedacht, während sich die etablierten Unternehmen noch in der tradierten Branchen- logik bewegen. „Viele wollen nach vorne, blicken aber nur in den Rückspiegel“, meinte Herr- mann – und übersähen so die „Disruptoren“. Herrmann zitierte zahlreiche Fälle, wo unerwartete Entwicklungen das Geschäftsmo- dell pulverisierten: Nokia wurde vom Smartphone überrascht, die Musikindustrie von Streaming, Kodak von der Digitalkamera, die Autoindustrie von Tesla und der Handel von Amazon. Seine Emp- fehlung: „Entscheidend ist es, dass man willens und in der Lage ist, die Welt mit Hilfe der digita- len Werkzeuge neu zu denken.“ Denn oftmals liegen die Prob- leme im Geschäft nicht am Pro- dukt, sondern am Geschäftsmo- dell. Tesla habe etwa verstanden, dass sein Businessmodel „mehr als nur ein Auto ist“. Autobauer wie der „Tesla-Jäger“ Byton ver- stünden Autos überhaupt schon als „Plattform für das Leben“, mit zahlreichen Services und einem neuen Verständnis von Mobilität. „Jetzt wird das gesamte Business amazonisiert“, sieht Herrmann einen wachsenden Trend zur Online-Bestellung auch in her- kömmlichen Branchen. Neue Werte: Sinn schlägt Status Keinesfalls dürfe die Geschäfts- welt auch die neuen sozialen Ent- wicklungen vernachlässigen. Die Generationen X, Y, und Z bestün- den in jeder Hinsicht auf digitale Vernetzung und darauf aufbau- enden Services, ebenso auf nach- haltige Wirtschaftsformen. „Diese Mitarbeiter müssen auch anders geführt werden: Sinn schlägt Status, Glück schlägt Geld, Frei- heit schlägt Firmenpension“. Und nicht zuletzt steht laut Herrmann nach dem Smartphone, ohne das 90% aller neuen Business-Chan- cen nicht funktionieren würden, die nächste Durchbruch-Technolo- gie ins Haus: die künstliche Intel- ligenz, die seiner Ansicht nach das Leben der Menschen erleich- tern wird. Was empfiehlt nun der Zukunftsdenker den Unterneh- men? „Offenes Denken! Tanzen sie aus der Reihe! Verändern ist nicht einfach, aber notwendig!“ Viele Barrieren behindern Neues Doch davor dürften nicht wenige österreichische Unter- nehmen zurückschrecken, wie Ricardo-José Vybiral ausführte. Er hat als Vorstand des KSV1870 viele KMU und ihre digitalen Bemühungen im Visier. Das hat ihn auch veranlasst, zunehmend häufiger einen Weckruf zu formu- lieren – denn zu viele KMU haben noch keine digitale Agenda! Ricardo-José Vybiral weiß, wovon er spricht: Unter seiner Führung wurde die KSV1870 Holding, Österreichs größter Gläubiger- schutzverband mit mehr als 25.000 Mitgliedern, zu einem digital bestens aufgestellten Ser- viceunternehmen. Wiewohl die Geschäftslage in Österreich hervorragend sei und die Unternehmen auch mehr Eigenkapital aufbauen konnten, ist die Digitalisierung kein gro- ßes Thema, führte Vybiral aus. „Rund 80% erkennen, dass die Digitalisierung bereits Auswir- kungen auf das Geschäft und die Finanzlage des Unternehmens hat, doch das führt nicht zu Ver- haltensänderungen. Österreichs Geschäftswelt transformiert sich zu langsam.“ Denn 68% haben, obwohl sie die Auswirkungen bereits erkennen, keine digi- tale Agenda. Das erstaunliche Ergebnis der KSV1870-Umfrage- daten: „Fast 40% geben an: Kein Hans-Christian Pfarrkirchner, ITG, Keynote-Speaker Dirk Herrmann, Moderatorin Marina Herzmayer, Philipp Mayerhofer, Obmann der Fachvertretung des Außenhandels, Ricardo- José Vybiral, Vorstand KSV1870, WKS-Präsident Manfred Rosenstatter (v. l.). Zukunft der Betriebe: Digitale DNA ist Wie stellt man sich auf die große digitale Veränderung von Wirtschaft und Gesellschaft ein? Durch offenes Denken und die Entschlossenheit, neue Wege zu gehen, empfiehlt Zukunftsforscher Dirk Herrmann. Und das am besten mit einer digitalen Strategie. Fotos: WKS/Wildbild Dirk Herrmann entwarf ein optimistisches Bild von der Zukunft der Welt: „Sie ist digital, autonom und nachhaltig!“

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