Salzburger Wirtschaft vom 27. November 2020 / Folge_23

36 · Service · Nr. 23 · 27. 11. 2020 Salzburger Wirtschaft „Ich schaffe mit meinem Orchester magische Momente“ Die Dirigentin Elisabeth Fuchs ist bekannt für ihre Unterneh- mungen in Kunst und Kultur. Sie ist Chefdirigentin der Philhar- monie Salzburg, Künstlerische Leiterin der Kinderfestspiele und Initiatorin der Lehrlingskonzerte. Sie schafft sich als Dirigentin in einer Männerdomäne Gehör und führt Kinder immer wieder spie- lerisch an die klassische Musik heran. Elisabeth – Lisi – Fuchs gilt als extrem umtriebige Zeit- genossin. Im Corona-Jahr 2020 hat sie zusätzlich das Projekt Autokino am Flugfeld des Salz- burg Airports umgesetzt. Auch Künstler sind dort live auf einer 130 Quadratmeter großen Bühne aufgetreten, der Ton wurde ins Autoradio übertragen. Platz war für 300 Pkws. Chris Holzer wollte für die Work-Vision-Serie wis- sen, wie sich eine Künstlerin in der Führungsrolle sieht und ob es spezielle künstlerische Heran- gehensweisen bei Unternehmun- gen gibt, die sowohl wirtschaft- liche als auch künstlerische Aspekte beinhalten. Was treibt Sie an, so viel- fältig präsent zu sein? Gerade in der Corona-Zeit hätte man durchaus einmal weniger machen können. Die Reduktion habe ich genau vier Wochen ausgehalten. Mich hat das Feh- len von Kulturveranstaltungen gestört. Meine Kanäle sind immer offen. Mein Glaube an Gott und mein Organisationstalent lassen mich sehr viele Impulse in die Tat umsetzen. Ideen spiele ich ein paar Tage für mich durch und verwerfe manches. Nach diesem ersten Filter suche ich die Kom- munikation mit meinem engeren Netzwerk. Ideen sind eine andere Form von Träumen, die ins Leben treten sollen. Aus Antrieb und Umsetzung und durch die tägli- che Suche nach der Antwort auf: „Wie kann ich für die Menschen sinnvoll wirken?“, schöpfe ich sehr viel Energie. Wie entscheiden Sie, ob eine Idee reif genug ist? Das hat mit großem Selbstver- trauen zu tun, und es ist ein Gefühl. Ich wäge den ganzheitli- chen Nutzen der Idee ab, künst- lerisch, gesellschaftlich und finanziell. Als Dirigentin – ich habe neben Musik auch Mathe- matik studiert – brauche ich kombinatorisches Know-how. Damit gewinne ich einen Über- blick. In einer Orchesterprobe lese ich quasi gleichzeitig bis zu 25 Notenzeilen in der Partitur, zudem höre, sehe und korrigiere ich was meine 40 bis 80 Musiker spielen und parallel dazu „diri- giere“ ich – das alles zusammen ist zum Schöngeistigen und Phi- losophischen der Musik einfach eine geniale Tätigkeit für die Synapsenbildung. Auch in ande- ren Bereichen, abseits der Musik, funktioniert mein Gehirn in die- ser Multi-Tasking-Art, und wenn das Ergebnis der persönlichen und strengen Ideenprüfung posi- tiv ausgeht, dann wird die Idee kommuniziert und geht auf Part- nersuche für die Umsetzung. Stichwort Autokino, ein betriebswirtschaftliches Projekt? Vom Betriebserfolg her gesehen, war das Autokino trotz der 17.000 Besucher nicht gescheit. Ich war aber sehr froh, es gemacht zu haben, weil in einer depressiven Zeit ein Hoffnungsträger auf- tauchte. Kino ist für mich Kultur, hat einen sozialen Aspekt und bringt Menschen zusammen. Meine Programmierung für das Autokino & Autokonzert war sehr breit aufgestellt: Autokino für jedefrau & jedermann. Selbstver- ständlich hatte ich auch österrei- chische Filme im Programm. Zum anspruchsvollen Franz-Jägerstät- ter-Film kamen 200 Autos. Ein Schwenk hin zu den Kindern. Wie ist es, Kinder als Publikum zu haben, quasi als Kunden? Je bunter und vielfältiger die Kinder aufgestellt sind, desto besser. Daher bin ich im außer- schulischen Bereich klar für einen gesunden „Bildungs-Mix“ aus Digitalisierung, Kultur, Bewe- gung und traditionellen Spielen. Die guten alten analogen Kar- tenspiele sind heute sehr in den Hintergrund getreten. Wel- che Kinder können heute noch „schnapsen“, obwohl so viel Basis-Wissenserwerb wie siche- res Rechnen, Taktik und soziale Kompetenz in diesem Spiel steckt. Für die digitalisierte Musikbil- dung hätte ich viele Ideen, wovon eine bereits umgesetzt wurde: das Online-Drum-Set-Tutorial für Groß & Klein! Kinder im Publikum sind höchst anspruchsvoll und kri- tisch. Ist etwas für sie langweilig, mit zu wenig Energie oder mit zu wenig Freude gemacht, drif- ten sie schnell weg. Das heißt, es muss jedes Familienkonzert eine pädagogisch-musikalisch wert- volle und unterhaltsame Bombe sein. Auf der Bühne als Dirigen- tin gegen einen Jedi-Ritter zu kämpfen, macht musikalisch kei- nen Sinn, aber die Kinder finden das lustig. Das Lachen ist uns Erwachsenen, leider gerade auch im Arbeitsleben, abhandenge- kommen. Lachen tut so gut und macht gelassen. Wie macht man es als Dirigentin, dass möglichst viele Musiker im Orchester überzeugt folgen? Meine Musiker können alle ihr Instrument ausgezeichnet spielen und haben dafür hart gearbeitet. In den Proben geht es darum, ein Orchesterwerk gemeinsam einzustudieren und das „gewisse Etwas“ herauszuarbeiten. Dafür braucht es amDirigentenpult eine Führungskraft, die fachlich und sozial kompetent ist, Visionen schafft, Klarheit und Entschlos- senheit vermittelt und authen- tisch die Musiker zu Höchstleis- tungen motiviert. Wir musizieren immer als Orchester-Familie, mit größtem Engagement, und las- sen uns voll aufeinander ein. Da entsteht mehr als nur perfektes Musizieren. Ich möchte ein Mit- einander-Verschmelzen und einen gewissen Klang, berührend und magisch. Das zu erreichen benö- tigt zum Talent und Können ganz klar Disziplin und Beharrlichkeit, daran wächst das Orchester und es sieht und spürt den Erfolg. Das ist, wie wenn in Betrieben Mitarbeiter merken, dass jemand fachlich und emotional klar führt und sich das Verkaufsergebnis verbessert. Da wachsen die Freude und die Motivation aller. Es ist schon phänomenal, was passiert, wenn man miteinander in einer musikalischen Darbietung ver- schmilzt. Viele Hirnregionen sind aktiviert und gleichgeschaltet. Eine Dirigentin, 50 Musiker, eine Zufriedenheit, dieses Gefühl ist unbeschreiblich und überträgt sich auf das Publikum. Wir sind in der Lage, magische Momente zu schaffen. WorkVision Neue Ansätze für modernes Arbeiten im Bundesland Salzburg Interview, Folge 32 Elisabeth Fuchs, Chefdirigentin der Philharmonie Salzburg. Foto: Erika Mayer

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