SERVICE Was das Jungunternehmerleben erfolgreicher macht WHITE SWANS – Black swans Nassim Nicholas Taleb, Top-Speaker beim JW-Summit 2021, renommierter Autor und Forscher in den Bereichen Statistik, Zufall und Epistemologie, im Interview. „Die Überlebensrate von Mittelstandsunternehmen ist beeindruckend; kleine- re Unternehmen überle- ben sogar besser. In den USA und Europa gibt es viele junge, gebildete Menschen, die ihre neue Berufung im Handwerk finden – aus existenziellen und nicht aus wirtschaft- lichen Gründen.“ JW-Magazin: Sie werden am 24. September der Star-Redner der großen Bundestagung der österreichischen Jungen Wirtschaft sein. Auch wenn Sie Prognosen bekanntlich kritisch gegenüberstehen: Wie dürfte sich die Situation unserer Wirtschaft dann von der heutigen Situation unterscheiden? Taleb: Mein Ansatz ist Systeme aufzu- bauen, die mit Unvorhersehbarkeiten um- gehen können, und mich nicht mit naiven Prognosen zu beschäftigen. Man kann jedoch herausfinden, ob Unsicherheiten in einer Region wahrscheinlicher sind als in einer anderen, und Modernität hat uns verwundbar gemacht. Zurzeit sind wir aufgrund des Virus finanziell gefährdet – wir hatten quasi keine Wahl. JW: Die Corona-Krise ist Ihrem Befund nach ein „weißer Schwan“ - ein vorhersehbares, wahrscheinliches Ereignis. Welche anderen „weißen Schwäne“ außer Pandemien sollen wir mit Blick auf die wirtschaftliche Entwick- lung am Radar haben? Taleb: Mein Hauptargument ist, dass es Risikoklassen gibt, die Teil des Systems sind. Ein lösbares Risiko wird zu einem „schwarzen Schwan“, wenn man es igno- riert. Die Überraschung kommt durch Ig- noranz: ein schwarzer Schwan ist für einen „Ein vorhersehbares, wahrscheinliches Ereignis, also ein weißer Schwan, wird – wenn man es ignoriert – schnell bedrohlich und zum schwarzen Schwan. Unsere Systeme sind aufgrund der ineinan- dergreifenden Fragilität anfällig für Krisen. Wir müssen also Systeme aufbauen, die mit Unvorhersehbarkeiten umgehen können.“ Truthahn nicht dasselbe wie für einen Fleischhauer. Ein Beispiel: Sie wissen, dass eine schlecht gebaute Brücke einstürzen wird – Sie wissen jedoch nicht, wann. Unser System ist aufgrund der inein- andergreifenden Fragilität anfällig für Krisen. Das größte Risiko ist meiner Ansicht nach die Verschuldung, die zu einer Krise führt und somit das gesamte System herunterziehen kann – schlimmer als im Jahre 2008. Anders als im Jahre 2007 sind die Zinssätze extrem niedrig und Regierungen nehmen blind Kredite auf. Stellen Sie sich vor, dass die Finanzie- rung des aktuellen Wirtschaftsjahres bei den niedrigsten Zinssätzen der Geschichte die US-Regierung defizitär mehr als 350 Milliarden US-Dollar kostet. Was würde passieren, wenn diese Zinssätze auf his- torische Werte ansteigen? Es würde eine Schuldenspirale der steigenden Zinssätze, die zu mehr Defiziten und somit zu höhe- ren Zinssätzen führen, entstehen. Das zweite erkennbare Risiko ist, dass wir antiquierte, unreife Institutionen haben, die mit internationalen Spannungen umgehen. Dinge können leicht aus dem Ruder laufen. Der Vietnamkrieg war eine solche Erscheinung. Und bedenken Sie, dass es seit 43 Jahren Spannungen zwi- schen dem Westen und dem Iran gibt – ohne Vorteile für beide Seiten. Von wegen kollektive Vernunft. JW: Österreich ist als erfolgreiche Exportna- tion von Entwicklungen, die die internationale Wirtschaftswelt hemmen, vergleichsweise stark beeinträchtigt. Während manche der Deglobalisierung und dem Protektionismus das Wort reden, sehen andere eine vollkom- men neue Dynamik der globalen wirtschaft- lichen Entwicklung. Was erwarten Sie? Taleb: Wenn Menschen von „Protektio- nismus“ reden, meinen sie unterschied- liche Dinge – der Terminus ist nicht sehr präzise. Niemand ist zu 100 Prozent 20